Die Wallfahrtsstadt Kevelaer befasst sich – wie alle Kommunen in NRW – seit 2015 mit einer vermehrten Zuweisung von Geflüchteten durch das Land NRW (konkret: Bezirksregierung Arnsberg, Sonderzuständigkeit für ganz NRW). Eine eigene Entscheidungskompetenz, ob und wie viele Geflüchtete in der Kommune unterkommen, hat weder die jeweilige Stadtverwaltung noch der jeweilige Stadtrat. Es handelt sich hierbei für die Kommunen um eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, der Bürgermeister und die Stadtverwaltung sind hier Befehlsempfänger. Auch der Landrat hat hier keinerlei Entscheidungskompetenz. Die zugewiesene Aufgabe ist von der jeweiligen Kommune zu erledigen.
Zunächst konnte das Problem ab 2016 gelöst werden u.a. durch die Anmietung des Sporthotels an der Grotendonker Straße mit einer Kapazität von ca. 200 Betten. Nach fünf Jahren lief der Mietvertrag in einer Phase mit nur noch wenigen Zuweisungen aus und wurde nicht verlängert. Einige Monate später verschärfte sich die Zuweisung von Geflüchteten erneut massiv durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 und verschiedener anderer Krisen auf der Welt wie etwa dem Rückzug der westlichen Truppen aus Afghanistan und der Machtübernahme der Taliban. Auch aus anderen Ländern kommen wieder verstärkt Menschen zu uns, etwa aus Syrien, dem Irak, aus der Türkei oder aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Eine erneute Anmietung des Sporthotels war aufgrund eines Eigentümerwechsels nicht mehr möglich. Die Stadt hat darauf durch die Anmietung oder den Kauf von Gebäuden die Situation versucht aufzufangen, was sich letztlich als nicht ausreichend erwies. Die Kroatenturnhalle an der Jahnstraße musste in Anspruch genommen werden und ist seitdem mit einer kurzen Unterbrechung dauerhaft belegt. Als die Jugendherberge auf Schravelen etwas überraschend zum Jahresende 2022 den Betrieb einstellte, wurde seitens der Stadt zunächst erfolglos versucht, die Jugendherberge zur Unterbringung anzumieten oder gegebenenfalls zu kaufen. Ein späterer Versuch des Landes NRW, die Jugendherberge anzumieten, um dort eine Landeseinrichtung zu betreiben, was auf die Zuweisungsquote von Kevelaer angerechnet worden wäre, scheiterte im Herbst 2023 ebenfalls, es gab keine Einigung mit dem Deutschen Jugendherbergswerk. In der Zwischenzeit suchte die Stadt weiterhin nach Unterbringungsmöglichkeiten.
In diesem Zuge stellte die Stadtverwaltung am 9. Februar 2023 in einer Sitzung des Ausschusses für Klima, Umwelt und Gebäudemanagement im nicht-öffentlichen Teil mehrere Standorte vor, vornehmlich städtische Flächen, auf denen eine Unterbringung von Geflüchteten zumindest theoretisch denkbar ist. Es wurde dargestellt, dass kurzfristig das Gebäude auf der Rheinstraße 102 angemietet werden könne. Allerdings stand zu diesem Zeitpunkt schon fest, dass eine Anmietung längstens für zwei Jahre möglich sei. Eine Anmietung erfolgte, dort sind aktuell 62 Personen untergebracht. Der Mietvertrag läuft Ende Januar 2025 aus. In der Sitzung von der Verwaltung vorgeschlagen und vom Gremium in der Priorisierung so auch beschlossen wurden die Standorte Rosenbroecksweg (hinter dem Betriebshof), Ladestraße und Alte Heerstraße. Aktuell wird am Standort Ladestraße eine Flüchtlingsunterkunft mit ca. 100 Betten errichtet. Ab Herbst wird am Standort Rosenbroecksweg eine weitere Flüchtlingsunterkunft derselben Größenordnung errichtet. Auf der Fläche Alte Heerstraße soll dagegen bezahlbarer Wohnraum entstehen, von dem es in Kevelaer aktuell viel zu wenig gibt. Dieses Projekt ist aktuell im Bebauungsplanverfahren. Insofern ist die Prioritätenliste aus der Vorlage abgearbeitet.
Neben der Kroatenturnhalle ist seit dem Sommer 2023 auch die Turnhalle der Hubertusgrundschule mit aktuell 35 Geflüchteten belegt. Der Schule wurde vorab zugesagt, dass die Halle längstens für ein Jahr für die Unterbringung Geflüchteter genutzt würde und dann wieder der Schule (und den Vereinen) zur Verfügung steht. Daher soll diese Turnhalle in den Sommerferien freigezogen werden. Ende 2023 wurde darüber hinaus seitens der Stadt das Gebäude Altes Pastorat in Winnekendonk angemietet. Dort sind aktuell 28 Personen untergebracht. Dieser Mietvertrag läuft allerdings Ende 2024 aus.
Aktuell stellt sich die Situation so dar, dass die Wallfahrtsstadt Kevelaer insgesamt 736 Personen untergebracht hat, hiervon 580 Personen auf dem Gebiet von Kevelaer Mitte und 110 Personen auf dem Gebiet der Ortschaft Winnekendonk. Dort sind jeweils Ärzte, Apotheken und auch zum Beispiel Supermärkte vorhanden. Bislang ist es der Stadt gelungen, die drei kleineren Ortschaften beinahe vollständig bei der Belegung außen vor zu lassen (aktuell Twisteden 18 Personen, Wetten 12 Personen, Kervenheim 16 Personen, hiervon 12 deutsche Obdachlose in der Winnekendonker Straße 1).
Da zum Jahresende verschiedene Mietverträge auslaufen und ca. 100 Personen dann eine neue Unterkunft benötigen, ist die Kapazität der im Bau befindlichen Unterkunft an der Ladestraße schon erschöpft. Auch soll die Belegung einer zweiten Turnhalle unbedingt vermieden werden. Wünschenswert wäre natürlich auch das Freiziehen der Kroatenturnhalle. Dies ist allerdings in den nächsten Monaten völlig unrealistisch. Vom Land wurde angekündigt, dass die Kommunen in den Sommermonaten erneut mit verstärkten Zuweisungen zu rechnen haben.
Vor diesem Hintergrund kam der Kauf der schon längere Zeit zum Verkauf stehenden Gewerbeimmobilie Boemsfeld 9 Ende 2023 in die politischen Gremien. Das Land hatte gerade mitgeteilt, dass die Verhandlungen zur Jugendherberge gescheitert waren, ernsthafte Alternativen auf dem Markt waren nicht vorhanden. Auch diese Vorlage wurde im nicht-öffentlichen Teil behandelt, weil alle Grundstücksangelegenheiten (wie z.B. auch Personalangelegenheiten) im nicht-öffentlichen Teil behandelt werden müssen. Martin Brandts ergriff als Ratsmitglied und Ortsvorsteher von Kervenheim das Wort und erläuterte ausführlich die Sorgen und Bedenken der Kervenheimer Bürgerinnen und Bürger. Das Thema wurde nach weiterer Diskussion in den Rat geschoben, wo der Tagesordnungspunkt dann am 19. Dezember 2023 abschließend behandelt wurde. Hier wurde auch noch einmal vom Bürgermeister gesagt, dass der Grundstückskauf keine besonders gute Option ist, es allerdings keine besseren Möglichkeiten gebe. Es ergab sich eine kontroverse Diskussion, in der auch über Alternativen gesprochen wurde. Aus dem Stadtrat heraus wurde der Antrag gestellt, geheim abzustimmen, was mehrheitlich angenommen wurde. Der Rat entschied darauf in geheimer Abstimmung mit knapper Mehrheit für den Kauf des Geländes. Schon in der Sitzung wurde über eine Sozialbetreuung gesprochen, ebenso über die Probleme in der Winnekendonker Straße 1.
Anschließend wurde die Immobilie erworben. Der Kauf ist mittlerweile abgeschlossen. Im Anschluss daran wurde mit den konkreten Planungen begonnen.
FAQ:
Ab wann beginnt die Belegung? Wie viele Personen sollen in der Xantec-Halle untergebracht werden? Sollen dort Familien oder alleinreisende Männer untergebracht werden?
Die Belegung soll in den Sommerferien beginnen und geht einher mit der Räumung der Hubertusturnhalle. Die Halle selbst ist ausgelegt für maximal 9 x 6 Personen. Da geplant ist, die Halle mit Familien zu belegen und nicht jede Familie sechs Personen umfasst, dürfte eine Belegung der Halle mit im Schnitt 45 Personen realistisch sein. In der Halle sind eine Küche und sanitäre Einrichtungen vorhanden bzw. werden in ausreichender Größe geschaffen. Ergänzend dazu können noch sechs weitere Wohnungen in den angrenzenden Büroräumen geschaffen werden. Auch hier ist zu einem späteren Zeitpunkt die Unterbringung von Familien beabsichtigt.
An wen kann ich mich wenden, wenn es Probleme mit der Immobilie oder mit den Geflüchteten gibt, wer ist Ansprechpartner in der Verwaltung?
Bitte wenden Sie sich ans Ordnungsamt, entweder per Mail: ordnungsamt@kevelaer.de oder telefonisch unter 02832 122-832.
Gab es denn in letzter Zeit Schwierigkeiten mit Geflüchteten auf Kevelaerer Stadtgebiet insbesondere in den größeren Unterkünften?
In den letzten Jahren gab es kaum Vorfälle. Auch die Unterbringung unmittelbar neben der Hubertus-Grundschule verlief im vergangenen Jahr völlig geräuschlos, Vorfälle gab es nicht.
Soll es eine Sozial- und Alltagsbetreuung für die Geflüchteten geben? In welchem Umfang? Ist hiervon auch eine Begleitung hinsichtlich asyl- bzw. ausländer-rechtlicher Fragestellungen umfasst?
Eine Sozial- und Alltagsbegleitung durch einen Sozialträger ist bereits vorbesprochen mit einem Zeitumfang von einer halben Stelle, also mit 20 Wochenstunden. Der Vertrag hierfür muss noch abgeschlossen werden. Wenn sich herausstellt, dass der Bedarf größer ist, dann wird nachgesteuert. Das ist mit dem Träger so besprochen. Eine Beratung in asyl- und ausländerrechtlichen Fragen wird – wie für alle Geflüchteten auf Kevelaerer Stadtgebiet – im Caritas-Centrum in Kevelaer angeboten.
Wer kümmert sich darüber hinaus um die Immobilie und um die dort lebenden Menschen?
Seitens der Stadt wird täglich eine Begehung durch einen der Asylhausmeister erfolgen. Der Runde Tisch Flüchtlinge hat bereits erklärt, sich mit um die Einrichtung und ihre Menschen zu kümmern. Die Begehung durch einen Sicherheitsdienst, wie es derzeit bis einschließlich 30.06. in allen Unterkünften auf Kevelaerer Stadtgebiet erfolgt, ist Gegenstand der gerade stattfindenden Verhandlungen mit dem Sicherheitsdienst über eine stadtweite Verlängerung des Vertrages ab dem 01.07.
Wie soll zum Beispiel die Lebensmittelversorgung sichergestellt werden? Ist die ÖPNV-Anbindung denn ausreichend?
Der Bürgerbus Kervenheim fährt z.Zt. von 08.00 -14.00 Uhr über Winnekendonk nach Kevelaer und zurück (15.00 Uhr Ende in Kervenheim). Aufgrund von Fahrermangel werden z.Zt. nur 5 Fahrten täglich von Montag bis Freitag durchgeführt. Samstags finden drei Fahrten statt (09.30 - 12.30 Uhr). Die Linie 53 fährt an Schultagen ungefähr im Stundentakt über Winnekendonk (06.00 Uhr-19.00 Uhr), an unterrichtsfreien Tagen nur zweistündlich (07.00 -19.00 Uhr). Am Samstag und Sonntag fährt die Linie generell nicht. Eine Erreichbarkeit mit dem Fahrrad ist sowohl für Winnekendonk als auch für Uedem gegeben.
Gibt es aktuelle Auslastungszahlen vom Bürgerbus und der Linie 53?
Für die Linie 53 liegen der Stadt keine Auslastungszahlen vor. Aber auf der Linie 53 fährt ein Linienbus im Regelfall mit 40 Sitzplätzen und zusätzlichen Stehplätzen. Probleme ab Kervenheim in Richtung Kevelaer sind nicht bekannt, lediglich die zweite Tour, die um 08.00 Uhr in Geldern endet, ist aufgrund des Berufskollegs in Geldern immer ausgelastet. Für den Bürgerbus Kervenheim lag die Zahl der tägliche Fahrgäste im I. Quartal 2024 zwischen 17 bis 42 Personen. Das bedeutet durchschnittlich fahren Minimum täglich 2 Personen pro Fahrt mit und Maximum 5 Personen. Im ersten Quartal 2024 ist kein Fall von Überbelegung bekannt.
Steht zu befürchten, dass aufgrund von Bedrohungen und Vandalismus durch Geflüchtete der ÖPNV zum Erliegen kommt? Hintergrund der Frage sind die phasenweise unschönen Umstände bei Fahrten von der Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes NRW am Flughafen Weeze.
Davon ist nicht auszugehen. Zum einen waren zum damaligen Zeitpunkt am Flughafen ca. 600 Menschen untergebracht. In Kervenheim wird nur ein Bruchteil an Personen sein. Zum anderen ist geplant, vor allem Familien in Kervenheim unterzubringen und damit ein anderes Klientel.
Wie soll Integration stattfinden? Der Kindergarten etwa hat keine Kapazitäten für weitere Kinder.
Eine Betreuung bzw. Beschulung von Kindern im Alter von 0 - 10 Jahre ist in Kervenheim bzw. am Grundschulstandort in Winnekendonk nur in geringem Umfang möglich. Eine Unterbringung von Familien mit Kindern im Alter von 0-10 Jahre im Xantec-Gebäude oder in einer anderen Immobilie in Kervenheim ist daher unter dem Gesichtspunkt "Integration in Kindertageseinrichtung/Grundschule" in nur einem geringen Umfang zu gewährleisten. Die angespannte Betreuungssituation für Kindergartenkinder gilt allerdings im gesamten Stadtgebiet gleichermaßen.
Gibt es die Möglichkeit, insbesondere den Kindern und Jugendlichen, aber auch den Erwachsenen, auf dem Gelände Spiel- oder sonstige Beschäftungsangebote zu unterbreiten?
Die vorhandene Fläche (Wiese) hinter dem Bürotrakt kann als Spiel- und Bolzplatz verwendet werden. Hier kann sicherlich auch ein Spielgerät platziert werden oder z.B. ein Basketballkorb. Hier hat an anderer Stelle auch der Runde Tisch Flüchtlinge bereits geholfen. Ein Gespräch hierzu mit einem Vertreter des RTF steht indes noch aus.
Ist die Unterbringung dort dauerhaft? Gibt es Ideen für eine Folgenutzung?
Die Unterbringung Geflüchteter in dieser Immobilie ist nicht dauerhaft geplant. Es ist allerdings aktuell nicht abzuschätzen, wie lange eine Nutzung zur Bewältigung der Aufgaben erfolgen muss. Als Folgenutzung denkbar ist neben einem Verkauf der Gewerbeimmobilie auch die Nutzung als Lagerhalle durch die Stadt oder durch die Löscheinheit Kervenheim der Freiwilligen Feuerwehr.
In Kervenheim gab es in der Vergangenheit vermehrt Schwierigkeiten mit Bewohnern der Unterkunft Winnekendonker Straße 1. Wird die Stadt hier etwas ändern oder bleibt es hier beim Ist-Zustand?
Die Stadt wird die männlichen Bewohner des Gebäudes Winnekendonker Straße 1 umquartieren in eine andere Einrichtung auf Stadtgebiet. Die drei weiblichen Bewohnerinnen werden vorerst weiter in dem Gebäude wohnen. Inwieweit und wann nach einer Renovierung das städtische Gebäude für die Unterbringung von Personen genutzt werden soll, ist noch nicht entschieden.
Keine Antwort der Stadtverwaltung kann allumfassend sein. Wenn Sie noch Fragen haben, schreiben Sie gern eine Mail an dominik.pichler@kevelaer.de.